„Nun ruhen alle Wälder“ für Blockflöte und Tasteninstrument erklang zu Beginn des Konzertes. Feinfühlig und achtsam war die Komposition, die in diese Abendstimmung im Herbst passte.
Generaloberin Schwester Agnes Löber ging bei ihrer Begrüßung auf die Entstehung dieses Projektes ein und versprach den Besuchern einen besonderen Konzertabend. Davon konnten sie sich beim nächsten Vortrag gleich überzeugen. Ein Präludium in As-Dur über das Ulmer Münstergeläut erklang in einer Klangvielfalt, zu der Organist Siegfried Gmeiner die ganze Bandbreite an Manualen und Registern der Heiligenbronner Orgel vorstellte. Er spielte im Konzert alle Orgel-Solostücke. Gmeiner kommt selbst wie Max Gräter aus Ulm und spielt in verschiedenen Kirchen, auch an der Hauptorgel des Münsters. Schon vor Jahren hatte er sich mit dem Komponisten Max Gräter befasst und seine Werke gespielt.
Zwischen den einzelnen Vorträgen und parallel zu historischen Bildern auf der Leinwand beleuchteten Schwester Dorothea Thomalla und Schwester Anna-Franziska Fehrenbacher das Leben des Komponisten. Sie berichteten anhand der alten Bewohnerakte aus dem Archiv von einem bescheidenen, aber musikalisch erfolgreichen Leben Gräters. Das Leben bei den Klosterschwestern prägte auch seine Kompositionen. Er schrieb u.a. mehrere Messen. Aus seiner „Missa pro defunctis“ op.10 erklangen an diesem Abend das Kyrie, das Sanctus und Benedictus sowie Communio. Rudi Schäfer aus Schramberg begleitete den eigens für dieses Konzert formierten Chor mit acht Stimmen. Dem Trio in g-Moll für Orgel folgte für Blockflöte und ein Tasteninstrument wieder ein Werk, das Rückschlüsse auf den Glauben des Komponisten zulässt: „Wer nur den lieben Gott lässt walten“, welches er ruhig und eindrücklich erklingen lässt. Das wohl anrührendste Werk des Abends ist überschrieben mit „Grablied“ op. 4. Er hatte es anlässlich ihres Todes „seiner verehrten Musiklehrerin, der ehrwürdigen Schw. M. Pia gewidmet“. Orgel und Chor brachten alle Gefühle, die in diesem Werk ruhen, zum Ausdruck und manchem Zuhörer pures Gänsehaut-Feeling.
Es folgten die Choralvorspiele zu „Meine Seele auf und singe“ und „Danket dem Herrn“ und einem „Tantum ergo“. In seinem letzten Solostück zog Organist Siegfried Gmeiner noch einmal alle Register und zeigte auf, was der blinde Komponist, der nie eine Note geschrieben sah, in seinen Kompositionen fulminant auszudrücken vermochte. Überschrieben ist das Werk mit „Präambel, Choral und Fuge über das Lied ‚Gelobt seist du Herr Jesus Christ‘ op. 147 (1941)“.
Dass Max Gräter in der Lebensgemeinschaft in Heiligenbronn mit den Klosterschwestern eng eingebunden war, zeigte sich im letzten Stück des Abends, dem Salve Regina. Gräter kannte diesen Hymnus, den die Schwestern jeden Abend nach dem Abendgebet zu Ehren der Mutter Jesu, der heiligen Maria, noch heute singen. Für sie hat er dies Werk geschrieben, für Frauenschola und Orgel.
Zwischen den musikalischen Beiträgen haben die beiden Schwestern viele zum Teil berührende und unter die Haut gehende Informationen aus dem Leben Gräters und der Zeitgeschichte vermittelt. Um nur zwei zu nennen: Max Gräter war als Blindgeborener den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge – „unwertes Leben“. Nur weil ihm vor Gericht keine erbliche Blindheit nachgewiesen werden konnte, wurde er vor dem Erbgesundheitsgericht in Oberndorf freigesprochen und entkam so der Zwangssterilisierung. Mindestens 34 anderen Mitbewohnen dagegen blieb diese Entwürdigung nicht erspart.
Einen Tag nach der Bombardierung seiner Heimat Ulm läutete in Heiligenbonn am 18.12.1944 das Totenglöckchen für Max Gräter. Er wurde nur 48 Jahre alt und starb an einer Lungenentzündung. Er hinterließ etwas Bargeld für seine Beerdigung und die Grabpflege, seine getragene Kleidung – eine Sonntagshose, eine Jupp, zwei Werktagshosen und ein Paar Lederschuhe. Dies hat sein Schwager für sich erbeten, da er total ausgebombt war.
Neben diesem kleinen Erbe hat er allen aber ein großes Erbe hinterlassen: Sein Leben für die Musik. Nach den Dankesworten von Schwester Agnes an die Akteure des Abends brandete langanhaltender Applaus auf und die Besucher bedankten sich stehend für beeindruckende und musikalisch hochkarätige Darbietungen.
Die Aktiven des Abends waren: Siegfried Gmeiner, Solo-Orgel; Rudi Schäfer, Orgelbegleitung; in der Schola sangen Christel Knecht, Magda Lerch (auch Blocklöte), Cornelia Gießibl, Schwester Magdalena Dilger (auch Blockflöte), Anselm Pfaff, Matthias Veith, Joachim Rohrer und Konrad Gießibl.
Der Dank gilt auch Ewald Graf – dem Archivar der Stiftung und des Klosters – für die Zusammenstellung der Bilder zu den Texten.