Osterferien im Kloster
Der Anfang der Osterferien begann für 14 Schülerinnen aus Tennenbronn und St Georgen recht ungewöhnlich. Freiwillig hatten sie sich im Rahmen der Firmvorbereitung zu einem Wochenende im Kloster Heiligenbronn gemeldet.
Das Thema über die Tage im Kloster stammte aus dem „Kleinen Prinzen“ von Saint Exupery:“ Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“. So besuchten die Firmandinnen auch gleich am Freitagnachmittag die Blindenwerkstatt der Bürstenbinder-und Korbflechterei.
Mit großer Freude zeigten die Blinden den Sehenden wie man als blinder Mensch durchaus sein Handwerk beherrschen kann. Vor den Augen der Sehenden entstanden aus den Händen der Nichtsehenden die schönsten Bürsten aus Ziegen- und Rosshaaren oder Kokosfasern und die edelsten Stuhlgeflechte und Körbe aus unterschiedlichsten Weiden.
Nachdem man sich im Jugendbereich des Klosters gemütlich eingerichtet hatte, führte Sr Johanna die Mädchen durch die Leben-Jesu-Ausstellung im Haus Lebensquell.
Der peruanische Künstler Raul Castro Rios hat während seines Aufenthaltes im Kloster Heiligenbronn für die Blinden und Gehörlosen das Leben Jesu in einzigartigen Tonfiguren zur Anschauung oder zum Befühlen geschaffen. Es war auch für die sehenden Jugendlichen sehr spannend, die Geschichten der Bibel in den gestellten Szenen wiederzuerkennen.
Der erste Abend war dann reserviert für das Kennenlernen untereinander und auch für Fragen über das Leben im Koster an Sr Johanna als jüngste Vertreterin der franziskanischen Ordensschwestern in Heiligenbronn.
So erzählte sie den Mädchen auf Fragen hin dann auch ihren Lebensweg, der sie als junge Frau nach ihrer Ausbildung zur Erzieherin bewog ins Kloster einzutreten.
Am nächsten Morgen verzichteten die Mädchen freiwillig auf das Ausschlafen zugunsten einer Teilnahme am Morgengebet der Schwestern, der Laudes, um 7.30Uhr. Erst danach wurde gefrühstückt.
Anschließend führte Jörn Nagel die Jugendlichen durch die Schule für Gehörlose.
Er erzählte dort, wie er zu seinem Beruf als Sonderpädagoge für Gehörlose fand. An einem großen Modell von einem Ohr erklärte er, wie es dazu kommt, dass man taub wird.
Er hatte für alle Kopfhörer dabei, damit man sich einmal vorstellen konnte, wie es ist nichts oder kaum etwas zu hören.
Deutlich warnte er die Mädchen davor, ihre Ohren nicht über zu strapazieren und bei lauten Konzerten lieber Ohrschützer zu tragen: “ Wenn die Sinneshaare im Innenohr kaputt sind, lassen sie sich nie mehr wieder herstellen!“
Fachmännisch erklärte er auch die Funktionsweise eines Cochlea-Implantates (CI), das Taube das Hören wieder ermöglichen kann.
Auf Wunsch zeigte er auch einige Gesten der Gebärdensprache, so dass alle miteinander das Vater-Unser in Gebärdensprache beten konnten. Das Schönste an der Schule war nach Meinung der Schülerinnen das „Traumzimmer“, ein mit Leder bezogenen Matratzen ausgestatteter Raum, wo man visuelle Effekte erzeugen kann.
Alle ließen sich gleich auf die weichen Liegeflächen nieder und meinten einstimmig: „So etwas sollte es an unseren Schulen auch geben!“
Anschließend forderte Sr Johanna auf zur Klosterrally. Anhand von vielen Fotos mussten die Jugendlichen herausfinden, wo diese gemacht wurden und welche Bedeutung und Geschichte sie jeweils hatten.
Bei der Auswertung kam so auch die Gründungsgeschichte des Klosters zur Sprache. Ein junger Wanderer hatte einst offene Füße, die er in einem Quell wusch.
Die Füße wurden daraufhin gesund. Man entdeckte daraufhin die heilende Kraft des Wassers und baute ein Kirchlein darüber, das man heiligen Brunnen nannte , der Ort wurde zu einem Wallfahrtsort .Schließlich wurde hier das Franzikanerkloster Heiligenbronn erbaut.
Mit Kanistern auf dem Leiterwagen holten die Mädchen dann auch das kostbare Wasser und sie tranken es mit großem Genuss bei allen Mahlzeiten.
Am Samstagnachmittag war man dann noch eingeladen auf einer Wohngruppe von Sehbehinderten. Freudig begrüßten die Bewohner ihre Gäste und luden sie zu sich in ihr Wohnzimmer ein. In einem großen Stuhlkreis stellten Sehende und Nichtsehende einander vor. Hier wurde für die sehenden Mädchen das Motto „Man sieht nur mit dem Herzen gut“ auf eine sehr berührende Weise erfahrbar.
Erst erzählten die Blinden von sich und ihrer Arbeit in den Blindenwerkstätten und ihren Lieblingsbeschäftigungen nach der Arbeit. Diese waren erstaunlicherweise recht vielfältig, wie Tanzen, Singen, Musizieren, Schwimmen.
Jetzt hatten die Mädchen viele Fragen, beispielsweise wie man denn als Blinder in einem Schwimmbad schwimmen könne, oder tanzen.
Dann waren die Nichtsehenden ganz Ohr, um von ihren Gästen so viel wie möglich zu erfahren. So zeigten sie sich ihrerseits nun freudig erstaunt über all deren Hobbys und sie wollten alles ganz genau wissen. Schließlich luden die Blinden ihre Gäste ein, mit ihnen Mensch-Ärgere-Dich-Nicht zu spielen.
Da Blinde keine Farben erkennen können, zeigten sie den sehenden Besucherinnen, dass sie die Spielfiguren an den unterschiedlichen Formen der Köpfe erkennen können. Die blinde Christina zeigte an einem anderen Tisch, wie sie auf der Blindenschreibmaschine mit nur sechs Tasten die Blindenschrift, genannt „die Braille“, schreiben konnte.
Der taubblinde Joachim schrieb den Sehenden das Tast-Alphabet, auch „das Lormen“ genannt, in die Hand. Letzteres wurde von 1821 von Heinrich Landesmann unter dem Decknamen Hieronymus Lorm erfunden, der als Taubblinder nach einer Möglichkeit suchte, sich mit seinen Mitmenschen zu verständigen.
Ein lustiges Missverständnis gab es dann um 18.00Uhr, als Sr Johanna die Mädchen zur Vesper einlud. Einige sind daraufhin gleich in den Jugendbereich gerannt, weil sie mit dem Wort „Vesper“ das Abendessen in Verbindung brachten und nicht die abendliche Gebetszeit der Ordensschwestern.
Der Abend endete mit dem zum Thema passenden Film „Die Sprache des Herzens“, welcher die ergreifende Geschichte einer jungen Ordensfrau erzählt, die ihr Leben dafür einsetzt, dass ein taubblindes Mädchen die Gebärdensprache erlernt und dadurch sich verständigen kann und sozialfähig wird. Der Sonntagmorgen begann dann mit der Palmprozession durch den Klosterhof zur Kirche.
Abschließend legten die Mädchen aus einer Fülle von Legematerialien noch ein Bodenbild zu ihrem persönlichen Lebensweg.
Im Abschlussgespräch teilten die Mädchen die Meinung, dass sie überrascht waren, wie gut blinde Menschen mit ihrer Behinderung zurechtkommen können und was für herzensgute und einfühlsame Menschen diese doch sind, wohl gerade auch, weil sie sich nicht auf ihre Augen verlassen können und ganz auf ihre Ohren angewiesen sind. Da braucht es in der Begegnung mit anderen viel Vertrauen. Die blinde Christina hatte es tagszuvor so ausgedrückt:“ Das Äußere eines Menschen ist für uns nicht wichtig, wir hören nur auf seinen Charakter!“
Christine Rösch-Isak, Schönblickstr. 14, 78112 St Georgen