Der Aufbau im Ahrtal ist so unendlich mühsam. Bei vielen geht es nur millimeterweise vorwärts – und immer wieder auch mal rückwärts.
Als Pfarrer im Ahrtal darf ich zu Hoffnung schreiben. Im Advent.
Unsere Politikerinnen und Politiker haben es verpasst, Hoffnung zu säen. Ihr Versprechen von „unbürokratischer und schneller Hilfe“ ist verpufft, schon lange. Nicht zuletzt wegen der ungeheuren Summe von Steuer-Geldern, die bereit stehen. Und wo natürlich Bedürftigkeit, Not und Ressourcen geprüft werden müssen, – das kann nicht schnell und nicht unbürokratisch gehen. Diese Versprechen kommen mittlerweile eher als Verhöhnung an, vor allem wenn sie gepaart sind mit „Das wird schon wieder“. Billiger Trost ist das Gegenteil von Hoffnung.
Was lässt uns weitermachen? Was gibt Kraft auf diesem Marathon, der noch lange nicht auf die Ziellinie zuläuft? Die Hoffnung: auf eine bessere Zukunft, auf gelingenden Aufbau der Häuser, der Infrastruktur, letztlich unserer Heimat.
Ich erlebe etliche, die kaum noch Kraft haben, denen der Weg zu weit und die Lasten, entweder der Flut und der persönlichen Lebensaufträge zu schwer werden.
Was lässt mich Hoffnung haben? Und was gibt Kraft zum Weitermachen? Da kommen die Hilfen aus der psychologischen Beratung:
Die eigenen Quellen kennen und auch nutzen. Ich weiß um Sport und Bewegung, um Gebet und Stille, um Freundschaften und Austausch. Und entdecke, wie ich diese Quellen vernachlässige, „weil es so viel wichtiges zu tun gibt“.
– Kleine Inseln der Resilienz pflegen, etwa der Kurzurlaub mit einer Tasse Kaffee in der Sonne.
– Mich aussprechen und so Distanz schaffen zu den Alle-Tagen, und darin auch Deutung finden für den „normalen Wahnsinn“.
– Die Liste ist sicher noch länger, – und ich bin überzeugt, dass die meisten solche Listen mit guten eigenen Erfahrungen haben.
Als Christ ist Hoffnung auch mehr als Kraft im „Hier und jetzt“ haben und entdecken.
Christliche Hoffnung weiß um den Herrn, der diesen ganzen Wahnsinn in seinen Händen hält und ihn zum Guten führen will und wird. Das bringen wir ins Wort-Bild vom Himmel. Der dann auch wieder Vertröstung wird, wenn er nach dieser Welt ein himmlisches Schlaraffenland erwartet, in dem alles gut ist. Das greift zu kurz. Himmel ist „zwischendrin“ in dieser Welt. Und es gilt ihn zu entdecken, das ist meine Aufgabe als Christ. Auf den Himmel hinzuweisen, der schon da ist. Und daran mitzuwirken, dass diese Erde immer mehr Himmel wird. Da ist überhaupt nichts von „Vertröstung“, sondern ist die geerdete, stille Gegenwart unseres Herrn in dieser Welt: Weihnachten wird er Mensch. Es ist das Hinschauen und Hinweisen auf das Licht im Dunkeln: Advent heißt Ankunft.
Das macht das Gehen durch diese Zeit weder im Ahrtal noch in unserer Gesellschaft in keinem Fall einfacher und leichter. Aber es eröffnet eine Dimension, die wir als Christen kennen dürfen: unser Platz ist in dieser Welt, wir dürfen mitbauen an einer besseren, und dadurch wird Gott erlebbar.
Jörg Meyrer